Dienstag, 21. Januar 2014

Wohlergehen: Der Ort, an dem Veränderung stattfindet (Teil 3)

 Interview mit Sandra Ljubinkovic

Teil 1 zu der Bedeutung von Selbstfürsorge
Teil 2 zu Verbindungen zwischen Selbstfürsorge und Aktivismus

Übersetzung des Interviews von mir
English version below


Wie sorgst du gut für dich?
Meine Selbstfürsorge und Heilpraktiken sind das Ergebnis von mehr als 15 Jahren Lernen, Training, Recherchen, Selbst-Beobachtung auf dem Weg zu mehr Wohlergehen und persönlicher Entwicklung. Für mich alleine und in der Gruppe mache ich Qi-Gong, Meditation, Reiki. Und ich habe Techniken zu energetischem Heilen, Berührungen für Gesundheit. Ich schlafe lange, wenn ich das Gefühl hab, es zu brauchen. Mit Freund_innen, die Heiler_innen sind, behandeln wir uns gegenseitig. Ich liebe es, Zeit in der Natur mit Spazierengehen, Horchen, Beobachten zu beringen, zu Orten zu reisen, die meiner Seele gut tun. Ich verbringe Zeit mit unbekümmerten Menschen, mit denen ich viel lache. Ich bin eine richtige Sammlerin, was bewusste und farbenfrohe Erfahrungen angeht, und ich fühle mich in diesem Universum der gegenseitigen Verbundenheit getragen.

Wie arbeitest du zu Selbstfürsorge?
Meine professionelle und aktivistische Arbeit beinhaltet auf den Kontext abgestimmte Trainings und Workshops zu Selbstfürsorge und Wohlergehen: wie ist es mit unserem Aktivismus, unserem Sicherheitsgefühl und unserer Sicherheit verbunden und eng verknüpft. Die Workshops enthalten wichtige Elemente zu Geist-Körper-Seele. In meiner Arbeit geht es nicht darum, irgendwen zu reparieren oder uns selbst zu besser zu machen oder mehr oder weniger oder höher oder darum, mehr zu erreichen... es geht um Herzensweisheiten, darum uns anzunehmen, zu transformieren, zu akzeptieren, zu vergeben und in unseren Körpern und Seelen präsent zu sein. Es geht darum unsere Vertrautheit mit uns selbst zu vertiefen, indem wir reflektieren, Werkzeuge und Techniken ausprobieren, die uns dabei helfen können, unsere aufgewühlten Gedanken zu beruhigen, unser Atmen zu vertiefen und uns mit unseren Gefühlen, Gedanken und Körperhaltungen auf Orte der Freude und Präsenz einzulassen, wo wir uns entsprechend unserer inneren Werte bewegen. All diese Praktiken beinhalten ganzheitliche Methoden, die ich in den letzten Jahren entwickelt und mit tollen und großartigen Aktivist_innen weltweit geteilt habe. Sehr einfache Techniken, wie MUDRAS (Handhaltungen) können dabei helfen, Stress loszuwerden, unser Nervensystem zu verbessern und unsere beiden Gehirnhälften in Einklang zu bringen, Werkzeuge wie Fingergreifen oder verschiedene Körperbewegungen. Bei der Fürsorge für andere unterstützen einfache Berührungen Entspannung und laden zu mehr Innenraum ein. Wenn Spannung mit leichter Berührung entgegengewirkt wird, führt Loslassen zu einer neuen Leichtigkeit in unseren Körpern und Seelen und wir fühlen uns fähiger, kreativ zu sein und in Harmonie mit uns selbst und anderen zu leben.

Was sind deine Visionen in Bezug feministisches/ aktivistisches Wohlergehen?

Meine Vision ist es mehr und mehr Räume zu schaffen, wo Aktivist_innen mit verschiedenen Hintergründen zusammenkommen können, um zu verarbeiten, teilen, reflektieren, heilen und zu ihren Beziehungen, Familien, Organisationen und Communities zurückzukehren und diese zu transformieren. Es geht darum, die Bedingungen zu schaffen, die Heilen und Wachstum begünstigen. Besonders geht es um die Art, wie wir mit Aktivist_innen gemeinsam geschaffene Räume teilen – durch die zärtliche Atmosphäre, die wir mit ihnen und für sie schaffen. Letztendlich ist eine heilende Präsenz eine Art, mit anderen Menschen zu sein, um eine heilende Beziehung aufzubauen. Um eine heilende Präsenz zu entwickeln, müssen wir vor allen Dingen aufmerksam für die Art sein, wie Menschen auf uns reagieren. Statt darauf fokussiert zu sein, was wir anderen anzubieten haben, können wir aufmerksam dafür werden, wie andere auf unsere Angebote reagieren. Mir sind die Gefühle anderer so wichtig wie meine eigenen. Es geht darum, den Raum und den Willen zu schaffen, unsere Seelen auf die Seelen anderer abzustimmen... dann wird Aktivismus zu einem zweitrangigen Thema, weil unser Aktivismus nur ein Spiegel unserer eigenen Innenwelten, Gefühle, Erinnerungen und Erfahrungen ist... und innerhalb unserer Frauenbewegungen oder LSBTIQ-Bewegungen müssen wir in den Ozean der Zärtlichkeit und die wilde Intelligenz unserer Körper und deren Fähigkeit zu heilen eintauchen, um mehr Vertrauen darin zu entwickeln, zerbrochene Beziehungen, Organisationen und Communities zu transformieren und uns auf die Revolution von reflektierterem, behutsamerem, inspirierenderem, freudigerem Wohlergehen von unseren Organisationen und Bewegungen zuzubewegen.


Weitere Informationen zu Sandra Ljubinkovic
Sandra (MSc in Gender, Rights and Development) ist feministische Aktivistin mit mehr als 15 Jahren professioneller Erfahrung in Frauen- und Minderheitenrechten. Beruflich kommt sie aus der feministischen Beratung, Advocacy- und Lobbyarbeit, Organisationsentwicklung, Community-Building, Entwicklung und Durchführung von Trainings für verschiedene Akteur_innen. Sandra zieht ihr umfangreiches Wissen und ihre Erfahrung aus Community-Organizing, Kampagnen, Leitung von Organisationen, Netzwerken, Entwicklung und Durchführung von Trainings zu Integrated Security und Wohlergehen von Frauenrechtsaktivist_innen auf der ganzen Welt. In letzter Zeit hat sie aktiv Frauenrechtsaktivist_innen darin unterstützt Beziehungen untereinander weltweit aufzubauen, die immer noch miteinander vernetzt sind, Strategien planen, sich empowern, Gesellschaft verändern und gegenseitig ihr Leben, Communities und Bewegungen bereichern.
Sandra ist auch Mitglied des Internationalen Beirats von BRIDGE am Institute of Development Studies in Großbritannien.

In einfacheren Worten, Sandra ist ein freier Geist, Reisende, Vagabundin und genießt ihr Leben in allen Formen in dem Wissen, dass wir mehr sind als unsere Körper, Gedanken, Emotionen, Konzepte und Begehren... Ihr tiefer Wunsch sich mit dem bedingungslosen Sein zu verbinden, das unser endloses Potential ist, erlaubt es ihr, die Dinge geschehen zu lassen, die geschehen :))


Kontakt: sandra.ljubinkovic@gmail.com


Zusätzliches Material (auf deutsch):
Jane Barry and Jelena Đorđević: Was heißt denn hier Revolution, wenn wir nicht tanzen können? (Übersetzt von Claudia Bollwinkel und Svenja Genthe)

Zusätzliches Material (auf englisch):
TEN INSIGHTS to strengthen response for women human rights defenders at risk

Wellness, Self-Care and Security - Why This is Important to Feminism (Text von AWID)

Front Line Defenders, Ireland (Kontakt für Menschenrechtsaktivist_innen, die Unterstützung brauchen)

English version:


How do you practice self-care?

Living self-care and healing practices is the result of more then 15 years of learning, training, researching, self-examinations on the path of well being and personal development. I practice myself and with group qigong, meditation, Reiki, i practice energo-healing techniques, touch for health. I sleep long hours when i feel i need it. I exchange treatments with my friends  who are healers.  I love spending time in nature walking, listening, observing, traveling to places that uplift my Spirit, i'm spending time with light hearted people with whom i laugh a lot,  i'm a real collector of mindful and colorful experiences and i feel carried in this Universe of interconnectedness.

What work are you doing around self-care?

My professional and activist work includes tailored made trainings, workshops around self-care and well-being, how it is connected and deeply inter-related to our activism and safety and security, integrating crucial mind-body-soul elements into the trainings. This work is about not about fixing anyone, or make ourselves better, or more, or less, or higher, or achieving more…it's about heart wisdom, embracing, transforming, accepting, forgiving and being present in our bodies and souls. It's about deepening intimacy with ourselves by reflecting, trying tools and techniques that can help calm our racing minds, deepen our breathing, and attune our emotions,mind and body adjustments to our places of Joy, presence, where we are moved by our inner values. All these practices include integral methodology that i have been developing over the years and sharing with amazing and outstanding activists around the world.  Very simple techniques like MUDRAS (hand postures) can help release stress, optimize our nervous system and harmonize both our brain hemispheres, tools as fingers holds and various body movements. When caring for others, simple hands-on techniques support relaxation, inviting more spaciousness inside. When tension is contacted with gentle touch, release leads to new ease in our bodies and spirits, and we become more capable of being creative and living harmoniously with ourselves and others.

What are your visions regarding feminist/ activist well-being?

My vision is creating more and more spaces where activists of all backgrounds can come together to process, share, reflect, heal, and go back to their relationships, families, organizations, communities and transform. It's about creating the conditions that promote healing and growth. Especially, it's about very way of being with activists in the common created spaces— through the tender atmosphere we create with and for them. Ultimately, healing presence is a way of being with other people in order to create a healing relationship. To develop healing presence, above all else, we must pay attention to the way people respond to us. Instead of being focused on what we have to offer, we can be aware on how others respond to our offering. I care about the feelings of others as much as I care about my own feelings. It's about creating space and willing to fine-tune our souls to the souls of others…then activism comes as secondary topic, since our activism is only a mirror of our own inner worlds, emotions, memories, experiences….and within our women's rights movements, or LGBTIQ movements, we need to dive into the ocean of tenderness and wild intelligence of our bodies, their capacity to heal and develop more trust in transforming broken relationships, organizations and communities and move to the revolution of more reflective, gentle, inspiring, joyful well-being of our organizations and movements.


More information about Sandra Ljubinkovic
Sandra, MSc in Gender, Rights and Development, is a feminist activist with more than 15 years of relevant professional experience in women's and minority rights. Her professional background is in feminist counseling, advocacy and lobbying, organizational development, community building, developing and delivering trainings for various stakeholders. Sandra draws her extensive knowledge and experience from community organizing, advocacy campaigns, managing organizations, networking and developing , managing and delivering trainings and expertise in developing and delivering trainings on Integrated Security and activists' well-being for women's rights defenders around the world. She has been actively supporting networking and facilitating relationships with diverse women's rights defenders throughout the world where they continue connecting, strategizing, empowering, transforming, and contributing to each others lives, communities and movements.
Sandra also serves as a member of the International Advisory Committee for BRIDGE at the Institute of Development Studies in the United Kingdom .

In a simple words, Sandra is free spirit, traveler, vagabond, enjoying life and experiences in all it's forms knowing that we are more then just our bodies, thoughts, emotions, concepts, desires…. Her deep commitment to access the unconditional Being that is our endless potential is bringing her to allow what wants to happen :))


Contact: sandra.ljubinkovic@gmail.com


Additional Ressources:
TEN INSIGHTS to strengthen response for women human rights defenders at risk

Jane Barry and Jelena Đorđević’s book: “What is the Point of Revolution if we Can’t Dance?”
 
Wellness, Self-Care and Security - Why This is Important to Feminism (Text von AWID)

Front Line Defenders, Ireland (Kontakt für Menschenrechtsaktivist_innen, die Unterstützung brauchen)

Montag, 20. Januar 2014

Wohlergehen: Der Ort, an dem Veränderung stattfindet (Teil 2)

Interview mit Sandra Ljubinkovic 

Teil 1 zu der Bedeutung von Selbstfürsorge

Übersetzung des Interviews von mir
English version below


Welche Verbindungen zwischen Selbstfürsorge und (feministischem) Aktivismus siehst du? (Warum denkst du, dass es ein wichtiges feministisches Thema ist? Welche Schwierigkeiten gibt es?)

Wie ich weiter oben bereits gesagt habe, ist unsere Kultur des Aktivismus in den meisten Teilen der Welt eine Kultur der „Aufopferung“. Wir opfern unsere Zeit, unseren Raum, unsere Kolleg_innen, Organisationen und Emotionen dafür, in der „vordersten Reihe“ zu sein, „gegen“ etwas zu kämpfen. Aktivist_innen sind nicht gut darin, in ihren eigenen Leben, zwischenmenschlichen Beziehungen, Familien und Organisationen wirklich „präsent“ zu sein, da sie damit beschäftigt sind, äußere Probleme zu lösen. Ein ganzheitlicher Zugang zu Körper-Geist ist notwendig, um alle Aspekte unseres Lebens miteinander zu verbinden: körperlich, geistig, emotional und spirituell. Viele Aktivist_innen sind durch Überstunden, Konflikte, Verluste und dem Gefühl, die Welt retten zu müssen, überfordert. Außerdem sind sie Gewalt und Bedrohungen ausgesetzt sowie zahllosen stressvollen und traumatisierenden Ereignissen. Diese Ereignisse drehen sich um einen Verlust von Verbundenheit – mit uns selbst, mit unseren Körpern, mit unseren Familien und der Welt um uns herum. Dieser Verlust an Verbundenheit lässt sich häufig nur schwer wahrnehmen, weil er nicht auf einmal passiert. Er kann langsam stattfinden, mit der Zeit, und wir passen uns an die subtilen Veränderungen an, ohne sie zu bemerken.

Warum ist es jetzt relevant?

Nachdem ich in den letzten zehn Jahren mit Aktivist_innen weltweit zu Selbstfürsorge und Wohlergehen gearbeitet habe, haben Aktivist_innen langsam damit angefangen, ihre eigenen Bedürfnisse zu definieren – was sie machen, um sich sicher und wohl zu fühlen.

Safe spaces: wirklich geschützte Räume: körperlich, emotional, spirituell, wo sie hinkommen können, sich ausruhen können und sich erlauben können zu fühlen – sich mit sich selbst und miteinander und mit der Welt um sie herum zu verbinden und ihr mit ihrer neuen Aufmerksamkeit für ihre Gedanken, Handlungen, Wahrnehmungen und Bewertungen zu begegnen. Es geht um den Raum zusammenzukommen und sich eine Pause von der Intensität der Arbeit zu gönnen.

Beziehungen aufbauen: In der Arbeit zu Selbstfürsorge und Wohlergehen und in den Verbindungen zu unserem Aktivismus haben in den Workshops und Trainings, die wir angeboten haben, die Aktivist_innen hervorgehoben, dass sie in diesen Räumen ihre Masken abnehmen konnten und eine tiefergehende Verbundenheit mit sich selbst und ihren aktivistischen Communities aufbauen konnten. Das führt zu authentischer Solidarität und Unterstützung, die ohne Bewertungen, eigenen Agendas oder Bedingungen ist.

Zeit: um zu entschleunigen, zu reflektieren, sich auszuruhen, das eigene Leben, die Arbeit, Sicherheit und das Wohlergehen zu analysieren.

Selbstfürsorge ist für viele Aktivist_innen verwirrend, beunruhigend und beängstigend – weil es unvertraut und unbequem ist und zum Kern dessen vordringt, wer wir als Aktivist_innen sind. Aktivist_innen werden selten gefragt, wie es ihnen geht, ob sie irgendetwas brauchen, wie ihre „inneren geheimen Welten“ aussehen. Im Gegenteil – sie sollen sich um ihre Klient_innen, Kolleg_innen, Organisationen und Communities kümmern und an den größeren Bewegungen teilnehmen; standhalten, wenn es schwer wird; in der vordersten Reihe sein, wenn nötig; und niemals Zeit zum Verlangsamen, Ausruhen oder sogar Anhalten haben... weil die Welt um sie herum so bedürftig ist und sie den Eindruck haben, dass alles zerfällt, wenn sie nicht da sind, um sich um diese Bedürfnisse zu kümmern. Irgendwer wird sterben. Organisationen werden geschlossen. Irgendwer könnte in Gefahr sein. Irgendwer könnte mehr Aufmerksamkeit, Hilfe oder Zuwendung als ich brauchen?! Die Weisheit liegt darin zu erkennen, dass wir nicht immer die beste Ressource für andere sind, einschließlich unserer Kinder, Partner_innen, Freund_innen oder Kolleg_innen. Hilfreich sein – eine heilsame Atmosphäre schaffen – braucht sehr viel respektvollen und sensiblen Umgang mit unseren eigenen Verletzlichkeiten und denen von anderen. Die größte Herausforderung ist nicht so zu tun, als wären wir niemals unzulänglich und unverletzbar. Die Wichtigkeit von Selbstfürsorge besteht im experimentellen Lernen (einschließlich dem Verlernen von alten Mustern und dysfunktionalen, aber tief verankerten Werten, während wir verfeinerte und lebensbejahende Werte und Fähigkeiten (wieder) lernen) und in der Unterstützung von anderen Aktivist_innen und Leitungskräften in den Organisationen darin, die Kulturen der Organisationen und Bewegungen zu verändern.

Warum Selbstfürsorge ein wichtiges aktivistisches Thema ist?
Weil es an sich schon etwas Radikales hat – du brauchst eine emotionale Grundlage, um Entscheidungen in Bezug auf Gesellschaft zu treffen. Meine Mit-Aktivistin Lepa Mladjenovic aus Serbien kontextualisiert das Verhältnis von Aktivist_innen zu ihren Emotionen in der tausend Jahre alten Geschichte des Patriarchats, wo uns gelehrt wurde, Vernunft wichtiger als Gefühl zu bewerten. Weil Vernunft mit Männlichkeit (and ich würde ergänzen mit dem „aktiv/machen-Prinzip“) verbunden wird und Gefühl als weiblich (und ich würde ergänzen als „fügsam/sein-Prinzip“) gesehen wird und deswegen in den sozialen Kontexten unserer Welt geringer angesehen wird. Das bedeutet, dass viele Kulturen die Bedeutung unserer Gefühle irgendwie abwerten... zusätzlich sind viele Aktivist_innen Mehrfachdiskriminierungen ausgesetzt, die zu einer weiteren Fragmentierung unserer Gefühlswelten führen. Für mich ist „Sein“ nichts Passives, sondern es geht darum den Raum zu schaffen, um anzuhalten und zu reflektieren sowie Gefühle zu fühlen, sie entfalten zu lassen, anzunehmen und zu transformieren. Das bedeutet nicht, dass es ohne Bewegung stattfindet... es bedeutet eine aufmerksame Beobachtung unserer Gedanken, Gefühle, Muster, Programme, Konzepte... diese anzunehmen und sich weiter zu bewegen.

In meiner Erfahrung als Aktivistin und eine Person, die mit Aktivist_innen weltweit arbeitet, nehme ich wahr, dass wir den Raum öffnen könnten, um pro-aktiver mit uns und der Welt zu sein. Langsam findet es mehr und mehr in verschiedenen Netzwerken, Bündnissen, Organisationen und bei einzelnen Aktivist_innen statt, dass sie an Selbstfürsorge und Wohlergehen arbeiten.

Was meinst du mit pro-aktiv?

Einfach gesagt geht es für mich bei pro-aktiv darum, Räume und die Bereitschaft/Offenheit zu schaffen, die Verantwortung für dich selbst und dein eigenes Leben zu übernehmen, wenn deine Reaktionen bewusst sind und aus einem aufmerksamen Umgang heraus passieren und nicht von vorherigen Erfahrungen oder äußeren Umständen geprägt sind. Je mehr wir daran arbeiten unser Bewusstsein zu schärfen, desto weniger werden wir von vorherigen Erfahrungen geprägt und desto mehr Möglichkeiten haben wir, unsere eigenen Reaktionen zu wählen anstatt auf die automatischen zurückzugreifen (die sich so anfühlen, als würde wer auf unsere empfindlichen Stellen drücken).

Ich hab Aktivist_innen zu der Frage von nachhaltigem Aktivismus, Selbstfürsorge und Wohlergehen interviewt und viele von ihnen haben gesagt, dass der Moment, als sie gelernt haben, in sich selbst zentriert zu sein, als sie sich mit ihren eigenen Quellen verbunden fühlten, als sie nach emotionalen Achterbahnfahrten zu ihrem eigenen Zentrum zurückkehrten, der Punkt ist, an dem Veränderung (persönlich, in der Organisation und in der Welt) stattfindet.

Wenn wir weiter daran arbeiten, Räume zu schaffen, um uns auf die (innere) Welt mit Verbundenheit, Akzeptanz, Aufmerksamkeit, Mitgefühl, Zuneigung, Resonanz, Liebe und Freude zuzubewegen und wir nicht weiter daran arbeiten, Schmerz, Scham, Schuld, Wut, Entfremdung, Anspannung, Erschöpfung und Ignoranz zu re-kreieren, dann sind wir auf dem Weg, uns selbst, unsere Organisationen, unsere Communities und die Welt zu transformieren.

Teil 3 zu Visionen von feministischem Wohlergehen


Weitere Informationen zu Sandra Ljubinkovic
Sandra (MSc in Gender, Rights and Development) ist feministische Aktivistin mit mehr als 15 Jahren professioneller Erfahrung in Frauen- und Minderheitenrechten. Beruflich kommt sie aus der feministischen Beratung, Advocacy- und Lobbyarbeit, Organisationsentwicklung, Community-Building, Entwicklung und Durchführung von Trainings für verschiedene Akteur_innen. Sandra zieht ihr umfangreiches Wissen und ihre Erfahrung aus Community-Organizing, Kampagnen, Leitung von Organisationen, Netzwerken, Entwicklung und Durchführung von Trainings zu Integrated Security und Wohlergehen von Frauenrechtsaktivist_innen auf der ganzen Welt. In letzter Zeit hat sie aktiv Frauenrechtsaktivist_innen darin unterstützt Beziehungen untereinander weltweit aufzubauen, die immer noch miteinander vernetzt sind, Strategien planen, sich empowern, Gesellschaft verändern und gegenseitig ihr Leben, Communities und Bewegungen bereichern.
Sandra ist auch Mitglied des Internationalen Beirats von BRIDGE am Institute of Development Studies in Großbritannien.

In einfacheren Worten, Sandra ist ein freier Geist, Reisende, Vagabundin und genießt ihr Leben in allen Formen in dem Wissen, dass wir mehr sind als unsere Körper, Gedanken, Emotionen, Konzepte und Begehren... Ihr tiefer Wunsch sich mit dem bedingungslosen Sein zu verbinden, das unser endloses Potential ist, erlaubt es ihr, die Dinge geschehen zu lassen, die geschehen :))

Kontakt: sandra.ljubinkovic@gmail.com



English version

Part 1 on the importance of self-care

How do you see self-care connected to (feminist) activism? (Why do you think it is an important activist issue? What are some difficulties?)

As i was mentioning above, our culture of activism is in the most parts of the world - the culture of "sacrifice". We are sacrificing our time, space, colleagues, organizations, emotions by being on the "front lines", fighting "against", activists are misattuned to be really "present" in their own lives, inter-personal relationships, families, organizations by solving all the outer problems of the world. An integrated mind-body approach is necessary for connecting all aspects of our lives: physical, mental, emotional and spiritual. Many activists are overwhelmed by over the clock working hours, conflicts, loss, saving the world and they are exposed to violence and harassment and to countless stressful and traumatic events. These events are about loss of connection - to ourselves, to our bodies, to our families and to the world around us. This loss of connection is often hard to recognize, because it doesn't happen all at once. It can happen slowly, over time, and we adapt to subtle changes sometimes without even noticing them.

Why is it relevant now?

Having been working  in the last 10 years, with activists from around the world on self care and well-being, activists themselves were slowly defining their own needs - what do they do in order to stay safe and well.
SAFE SPACES: truly safe spaces: physically, emotionally, spiritually, where they can come, rest and allow themselves to FEEL - to connect to themselves and each other and the world around them with the new awareness of their thoughts, actions, perceptions and judgements.  It  is about the space to come together and get a break from the intensity inherent in their work.
BUILDING RELATIONSHIPS: work on self-care and well-being and the connection to our activism, in the shape of the workshops and trainings that we were providing for activists, they were highlighting that in this spaces they managed to take their masks off and connect on a deeper level with themselves and their activist community. It brings them to authentic solidarity, support that is without judgement, agendas or strings.
TIME:  to slow down, stop, reflect, rest, assess their personal lives, work, safety and well-being.

Self care is  for many activists very confusing, disturbing and scary - because it remains unknown and uncomfortable and it cuts to the essence of who we are as activists.  Activists are very rarely asked how they feel, if they need anything, how their "inner subtle world" looks like. On the contrary - they are supposed to care for their clients, colleagues, organization, communities, to take part in the bigger movements, to hold when it's hard, to be on the front lines when needed,  and never-ever have time to slow down, rest, or even stop…. because the world around them is so needy and it gives the impression that if they are not there to fill in all those needs - everything will fall apart. Somebody will die. Organization will be shut down. Somebody might be in danger. Somebody needs more attention, help, affection than ME?!  The height of wisdom is to recognize that we are not always the best resource for someone else, including our own children, our partners, or our friends and colleagues. Being helpful—creating a healing aura—requires enormous respectfulness and sensitivity to our own vulnerabilities, and also to those of others. The biggest challenge is when we're pretending to ourselves to be unfailingly adequate and invulnerable.  The importance of self-care, we can see as experiential learning (including un-learning old patterns and dysfunctional but deeply held values while re-learning more refined and life-affirming values and skills) and very important the power of support by other fellow activists and leaders in the organizations to change the cultures of organizations and movements.

Why self-care is an important activist issue?
Because it is radical notion by itself - you need to have emotional basis in order to make choices related to society. My fellow activist Lepa Mladjenovic from Serbia contextualizes activists' relationships with our emotions within the thousand of years of patriarchy that has taught us to value reason over emotion. Because reason is associated with masculinity (and i would add with the "active/DOING principle") and emotion is seen as feminine (i would add "compliant/BEING principle") and therefore less valued in the social contexts around the world. This means that many cultures somehow diminish the significance of emotions… in addition, many activists face multiple discriminations which cause further fragmentation of our emotional realities. I see "Being" not as passive but as creating space to stop and reflect and allow the space for emotions to feel, unfold and embrace and transform. It doesn't mean without movement… it means careful observation of our thoughts, emotions, patterns, programs, concepts… embracing them and moving on.

In my experience, being an activist myself and working with activists around the world, i see we could open the space to be more proactive with ourselves and the world. It is happening slowly more and more in various networks, coalitions, organizations and with individual activists working on self care and well-being.

What do you mean by proactive?

Simply put, for me, proactive is about creating space and readiness/openess to take responsibility for yourself and your own life, when your reactions are mindful and are coming from awareness and they are not determined by the previous experiences or outside circumstances. The more we work on  raising our own Cousciousness, we will be less determined by previous experiences and we will be readier to choose our own reactions instead of automatic ones (feeling that someone is "pressing our buttons").

I was interviewing activists around the issues of sustaining activism, self-care and well being and many of them were saying when they learned to feel 'centered' in their own being, when they felt connected with their own inner sources, when after many emotional roller-coasters they came back to their own center, that THIS IS the point where (personal, organizational, and world) change happens.

If we continue to create spaces to approach the (inner) world from point of connection, acceptance, attention, empathy, affection, resonance, love and joy and we work to no longer re-create pain, shame, guilt, anger, detachment, tension, fatigue and ignorance, then we are on our way to transform ourselves, organizations, communities and the world.

Part 3 on visions of feminist well-being


More information about Sandra Ljubinkovic
Sandra, MSc in Gender, Rights and Development, is a feminist activist with more than 15 years of relevant professional experience in women's and minority rights. Her professional background is in feminist counseling, advocacy and lobbying, organizational development, community building, developing and delivering trainings for various stakeholders. Sandra draws her extensive knowledge and experience from community organizing, advocacy campaigns, managing organizations, networking and developing , managing and delivering trainings and expertise in developing and delivering trainings on Integrated Security and activists' well-being for women's rights defenders around the world. She has been actively supporting networking and facilitating relationships with diverse women's rights defenders throughout the world where they continue connecting, strategizing, empowering, transforming, and contributing to each others lives, communities and movements.
Sandra also serves as a member of the International Advisory Committee for BRIDGE at the Institute of Development Studies in the United Kingdom .

In a simple words, Sandra is free spirit, traveler, vagabond, enjoying life and experiences in all it's forms knowing that we are more then just our bodies, thoughts, emotions, concepts, desires…. Her deep commitment to access the unconditional Being that is our endless potential is bringing her to allow what wants to happen :))

Contact: sandra.ljubinkovic@gmail.com

Sonntag, 19. Januar 2014

Wohlergehen: Der Ort, an dem Veränderung stattfindet (Teil 1)

 Interview mit Sandra Ljubinkovic


Sandra und ich haben uns über eine weltweite Mailingliste kennengelernt, die Menschen untereinander vernetzt, die Retreats/ Selbstfürsorge-Workshops für Aktivist_innen anbieten oder Retreat Centers aufbauen möchten. Letzten November konnten wir uns endlich persönlich kennenlernen und haben stundenlang über unsere Visionen geredet und uns gegenseitig in unserer Kritik an teuren Entspannungswochenenden für Frauen wiedererkannt. Ich freue mich, dass Sandra ihre jahrzehntelangen Erfahrungen auf meinem Blog teilt.

Die Übersetzung des Interviews ist von mir.

English version below


Sandra, stell dich doch kurz vor.
 In den letzten zehn Jahren habe ich mit Kolleg_innen auf der ganzen Welt das Konzept von Integrated Security (integrierter Sicherheit) und Wohlergehen von Frauenmenschenrechtsaktivist_innen und LSBT-Rechtsaktivist_innen global entwickelt und damit gearbeitet. Es ist ein ganzheitlicher Ansatz, der verständlich macht, welchen körperlichen und psychologischen Preis die Körper und Seelen von Frauenrechts- und LSBTIQ-Rechtsaktivist_innen zahlen müssen. Diese Arbeit baut auf der Initiative, geteilten Erfahrungen, Konzepten und Werkzeugen auf, die von Individuen, Aktivist_innen und Organisationen entwickelt wurden. Es geht darum, Aktivist_innen, Organisationen und Bewegungen zu stärken, mit der Perspektive, dass die Gesundheit (körperlich, geistig, emotional und spirituell) und die Sicherheit von Frauenrechtsaktivist_innen und LGBTIQ-Aktivist_innen untrennbar mit eben diesen Communities, Organisationen und Bewegungen verbunden sind.


Was bedeutet Selbstfürsorge/ Wohlergehen für dich?

Ich habe immer daran geglaubt, dass wir mehr als die Summe unserer Körperteie sind. Bevor ich Aktivistin wurde, habe ich als Physiotherapeutin mit professionellen Sportler_innen in Serbien gearbeitet, was mittlerweile mehr als 18 Jahre her ist. Ich hab gesehen, wie erfolgsorientierte Menschen die besten Ergebnisse mit ihren Körpern erzielen wollten, wie sie ihre Körper mit endlosen Stunden von Training gefoltert und ausgelaugt haben und sie waren komplett unverbunden mit ihrem Geist und ihrer Seele. Als ich in den 90ern in den feministischen Aktivismus in Serbien eingetaucht bin, war die Situation das genaue Gegenteil – die meisten Aktivist_innen lebten in ihrem Kopf/ Geist, komplett unverbunden mit ihren Körpern und Seelen. Viele Jahre an Selbsterforschung und Selbstreflektion haben mich zu den verschiedensten Orten auf dem Planeten gebracht, es hat mich an die Grenzen von Wissenschaft, Energiearbeit, Heilen, Selbstheilen und Spiritualität gebracht. Ich bin gereist, hab verschiedene Techniken erforscht, die alle Aspekte unserer Seins miteinander verbinden... Ich bin durch meinen eigenen Heilprozess gegangen... und hab dabei gelernt, alles, was ich bin, anzunehmen, alle Wunden, Ängste, Erwartungen; dabei hab ich meine Sicherheiten verändert oder verloren; bin da geblieben, wenn mich Konflikte immer weiter herausgefordert haben; hab losgelassen und mich weiter bewegt; hab mich traurig, wütend und freudvoll gefühlt; hab mich in der Gesellschaft von anderen Aktivist_innen unsicher gefühlt; hab die Angst gespürt, von anderen zurückgewiesen zu werden, wenn ich es ihnen nicht recht mache; hab mich von Menschen verraten gefühlt, denen ich vertraut habe; hab mein eigenes Potential angenommen, meine Schattenseiten; hab meine Vergangenheit und meine Verluste betrauert; hab mehr gegeben, als ich eigentlich konnte; hab mich schuldig gefühlt, weil ich mir frei genommen hab; hab Fehler gemacht und Erfolge gehabt und endlich gewusst, was ich will...

Selbstfürsorge oder Wohlerfehen bedeutet für mich ganz zu sein, den Raum zu haben oder zu schaffen mich selbst tiefer kennenzulernen, bis an den Kern, durch meine eigenen Begrenzungen, Vorurteile, inneren Kritiker_innen, Ängsten, Traumas, Wut, Wunden, Schmerz hindurchzugehen und mir selbst den Raum zu erlauben zu trauern, loszulassen, alles anzunehmen, willkommen zu heißen ohne Bewertung, ohne daran zu denken, was andere denken könnten, es in der Fülle zu fühlen, zu weinen und die tiefgreifende Erfahrung zu machen gehalten zu werden, mehr Vertrauen zu haben, keine Angst zu haben zu stoppen oder zu reflektieren, nicht neurotisch durch Aktivismus und das Leben zu rennen, weil ich denke, dass, wenn ich es nicht mache, ich „weniger Aktivist_in“ oder „nicht gut genug“ bin oder mich schuldig fühle, weil die Welt untergehen würde, wenn ich mir frei nehme oder wenn ich für einen Moment innehalte... Unsere neurotische Angst hält uns an weiterzumachen, laugt uns aus, verbrennt uns, voller Angst und Beschuldigungen und vergiftet unsere Beziehungen.

Auf meinem eigenen Weg von Heilung und persönlichem Wachstum als Aktivistin und Menschenrechtlerin hab ich mir erlaubt anzuhalten. Für drei Monate. Und weißt du was? Die Welt ist nicht untergegangen. Sie hat sich weiter bewegt. Nur ich hab angehalten. Etwas an dieser Nicht-Bewegung war so aufregend... irgendeine neue Qualität ist in dieser „Stille“ und „Nicht-Bewegung“ entstanden. Ich war sehr fasziniert von diesen inneren „Bewegungen“... ich konnte meine Ängste, meine Schuldgefühle, meine Wut, meine Wunden sehen und sie bis in ihren Kern erspüren, ohne sie zu verurteilen... ich hab verstanden, dass es meine verwundeteten Teile waren, die mich eingeladen haben, sie anzunehmen und zu heilen.

Viele Aktivist_innen, mit denen ich gearbeitet habe, wissen, dass ihre Körper mehr sind, als sie sich bislang getraut haben zu erkunden. Sie wissen, dass sie ihren Körper, Geist und Seele (falsch) behandeln und ihren Schmerz jahrelang mit sich herumtragen und festhalten. Manchmal ist Schmerz da, um von ihm zu lernen, um durch ihn hindurch zu gehen und ihn anzunehmen. Ich mag das Wort „verletzte_r Heiler_in“ welches sich psychologisch bezieht auf „die Fähigkeit mit dem Leiden zuhause zu sein und dort Möglichkeiten der Regeneration zu finden“. Durch unsere Wunden hindurchzugehen bedeutet zu realisieren, dass wir nie wieder die gleichen sein werden, wenn wir auf der anderen Seite des Prozesses ankommen. Durch unsere Wunden lernen wir einen Teil von uns kennen, der nicht verwundet ist. Unsere Wunden sind dann nicht das Hindernis zu unserer Ganzheit, sondern ein Ausdruck davon, da wir ohne unsere Wunden nicht den Teil von uns kennengelernt hätten, der ganz, frei, geheilt und aufmerksam ist.

Es kann so viel Freude bringen, mit deinem Körper verbunden zu sein, durch all deine Gedanken, Gefühle und Erinnerungen hindurch zu gehen und sie anzunehmen, die uns mit unserer Spiritualität in Verbindung bringen. Wenn sich Aktivist_innen auf „Selbsterfahrung“ einlassen, dann realisieren sie häufig versteckte Potentiale, was eine sehr aufbauende Erfahrung ist.

Teil 2 zu Verbindungen zwischen Selbstfürsorge und Aktivismus
Teil 3 zu Visionen von feministischem Wohlergehen 



Weitere Informationen zu Sandra Ljubinkovic
Sandra (MSc in Gender, Rights and Development) ist feministische Aktivistin mit mehr als 15 Jahren professioneller Erfahrung in Frauen- und Minderheitenrechten. Beruflich kommt sie aus der feministischen Beratung, Advocacy- und Lobbyarbeit, Organisationsentwicklung, Community-Building, Entwicklung und Durchführung von Trainings für verschiedene Akteur_innen. Sandra zieht ihr umfangreiches Wissen und ihre Erfahrung aus Community-Organizing, Kampagnen, Leitung von Organisationen, Netzwerken, Entwicklung und Durchführung von Trainings zu Integrated Security und Wohlergehen von Frauenrechtsaktivist_innen auf der ganzen Welt. In letzter Zeit hat sie aktiv Frauenrechtsaktivist_innen darin unterstützt Beziehungen untereinander weltweit aufzubauen, die immer noch miteinander vernetzt sind, Strategien planen, sich empowern, Gesellschaft verändern und gegenseitig ihr Leben, Communities und Bewegungen bereichern.
Sandra ist auch Mitglied des Internationalen Beirats von BRIDGE am Institute of Development Studies in Großbritannien.

In einfacheren Worten, Sandra ist ein freier Geist, Reisende, Vagabundin und genießt ihr Leben in allen Formen in dem Wissen, dass wir mehr sind als unsere Körper, Gedanken, Emotionen, Konzepte und Begehren... Ihr tiefer Wunsch sich mit dem bedingungslosen Sein zu verbinden, das unser endloses Potential ist, erlaubt es ihr, die Dinge geschehen zu lassen, die geschehen :))


Kontakt: sandra.ljubinkovic@gmail.com



English version:



Sandra, tell us something about yourself
 In the last 10 years i have been developing and working with other colleagues from around the world on the issue of Integrated Security and Well-being of Women's Human Rights Defenders-(W)HRD and LGBT rights defenders globally. It's a holistic approach that offers understanding the importance of physical and psychological toll that human rights defense has taken on women's and LGBTIQ defenders bodies and spirits. This work has built on initiatives, shared experiences, concepts and tools developed by individuals, defenders and organizations. It is about sustaining activists, organizations and movements through the lenses that the health (physical, mental, emotional and spiritual) and safety of WHRD and LGBTIQ defenders/activists  that are inseparably linked to these same communities, organizations and movements.

What does self-care/ well-being mean to you?
I have always believed that we are more than just a sum of our body parts. Before i became an activist, i worked as physiotherapist with professional sport players in Serbia which is now more than 18 years ago. i have witnessed how high achievers were trying to achieve best results with their bodies, they were torturing and exhausting their bodies with endless hours of training, exercising and they were totally disconnected from the mind and spirit. Once i jumped into feminist activism in Serbia in the '90s, the situation was exactly the opposite - most activists were living in their head/mind, totally disconnected from their bodies and spirits. For many years, self-research and self-inquiry brought me to the various places on the planet, it brought me to the edge of science, energo-work, healing, self-healing and spirituality. I was traveling, researching various techniques that integrate all aspects of our being… i went through my own personal healing journey… learning to embrace all who i am, all wounds, fears, expectations, changing or loosing the safety, staying when conflicts kept challenging me, letting go and moving on, feeling sad, angry or joyous, feeling unsafe in company of fellow activists, feeling the fear of rejection by others if i don't please them, betrayal by the ones i trusted, embracing my own potential, my shadow side, grieving the past or any loss, giving more than i could handle, feeling guilty if i take time off, failing or succeeding and finally knowing what i want….

Self-care or well-being for me means being whole, having and creating space to get to know myself deeper, to the core, walk through my own limitations, prejudices, inner critic, fears, traumas, anger, wounds, pain, allowing myself space to grief, let it go, embrace all of it, welcome it without judgement, without thinking what other may think, feel it to the fullness, cry and feel that profound experience of being held, having more trust, not being afraid to stop and reflect, not neurotically run through activism and life because if you don't do it, then you are "less of an activist", or "not good enough", or feeling guilty when we take time off since this world will absolutely fall apart if we stop for a moment….Our neurotic fear keeps us running, makes us totally drained, burned out, tired,  full of anger, blame and intoxicates all our relationships.

On my own way of healing and personal growing as an activist, leader, human rights advocate, i allowed myself to stop. For 3 months. And you know what? the world did not fall apart. It was still moving. Only I stopped. There was something SO exciting in this non-movement… some new quality was emerging in this "silence" and "non movement". I was absolutely fascinated by this inner "movements"… i could see my fears, guilt, anger, wounds, feel them to the core, without judgement…. i understood that they were all my wounded parts that were inviting me to embrace them and to heal them.

Many activists I have worked with know that there is a lot more to their bodies than they have ever dared to explore. They know that they are (mis)treating their bodies, minds and Souls and carrying and holding their pain over the years. Sometimes pain is there to learn from it, to walk THROUGH it and embrace it. I like the word "Wounded Healer" which refers psychologically to "the capacity to be at home with the shadow of suffering and there to find gems to light and recovery". Going through our wound means realizing that we will never be the same again when we get to the other side of this initial process. Through our wound we are introduced to the part of ourselves that is NOT wounded. Our wound is then not the obstruction but the expression of our wholeness, as without wound we wouldn't be introduced to our part of us that is whole, free, healed and awake.

There is so much joy to be had from being in connection with your body, walking through and embracing all our thoughts and feelings, memories that brings us in connection with our spiritual nature. When activists open up for "self-experiencing" then they often realise how much hidden potential they have, which is a very uplifting experience.

Part 2 on connections between self-care and activism 
Part 3 on visions of feminist well-being


More information about Sandra Ljubinkovic
Sandra, MSc in Gender, Rights and Development, is a feminist activist with more than 15 years of relevant professional experience in women's and minority rights. Her professional background is in feminist counseling, advocacy and lobbying, organizational development, community building, developing and delivering trainings for various stakeholders. Sandra draws her extensive knowledge and experience from community organizing, advocacy campaigns, managing organizations, networking and developing , managing and delivering trainings and expertise in developing and delivering trainings on Integrated Security and activists' well-being for women's rights defenders around the world. She has been actively supporting networking and facilitating relationships with diverse women's rights defenders throughout the world where they continue connecting, strategizing, empowering, transforming, and contributing to each others lives, communities and movements.
Sandra also serves as a member of the International Advisory Committee for BRIDGE at the Institute of Development Studies in the United Kingdom .

In a simple words, Sandra is free spirit, traveler, vagabond, enjoying life and experiences in all it's forms knowing that we are more then just our bodies, thoughts, emotions, concepts, desires…. Her deep commitment to access the unconditional Being that is our endless potential is bringing her to allow what wants to happen :))

Contact: sandra.ljubinkovic@gmail.com



Montag, 6. Januar 2014

Sunday Dinner Table



Seit einem Jahr koche ich jeden ersten Sonntag im Monat ein Drei-Gänge-Menü für meine Freund_innen. Für mich ist das ein kleiner Beitrag zu feministischen caring communities. In meinem Verständnis von Repro-Arbeit gebe ich Energie in mir wichtige Menschen, die ihre Energie für andere Dinge verwenden oder deren Energie von anderen Dingen aufgebraucht wird.
In dem Retreat Center, das ich mit aufbauen möchte, gibt es in meinem Vorstellungen eine lange Holztafel, die in einer riesigen Wohnküche steht. Ich stelle mir dort Frühstückszenen vor, in denen ich vor Ahornsirup driefende Pancakes auf den Tisch stelle und mich dann mit in die herzenswarme Runde von Menschen setze.

Diese Sunday Dinner sind für mich auch eine Intervention in andere Dinner-Szenen, wie mir über das Lesen von Sara Ahmeds Texten klar wurde. Sie schreibt über die Anspannung, die es an Essenstischen häufig gibt, wenn alle mit den Augen rollen, wenn die_der "feminist killjoy" mal wieder – zum gefühlten hundersten Mal – in die vermeintlich lustige Anekdote interveniert, die mit diskriminierenden Wörtern und Stereotypen nur so gespickt ist.

My experience of being a feminist has taught me much about rolling eyes. This is why when people say the bad feeling is coming from this person or that person, I am never convinced. My skepticism comes from childhood experiences of being a feminist daughter in a relatively conventional family, always at odds with the performance of good feeling in the family, always assuming to be bringing others down, for example, by pointing out sexism in other people's talk. Say we are seated at the dinner table. Around this table, the family gathers, having polite conversations, where only certain things can be brought up. Someone says something that you consider problematic. You respond carefully, perhaps. You might be speaking quietly; or you might be getting "wound up," recognizing with frustration that you are being wound up by someone who is winding you up. The violence of what was said or the violence of provocation goes unnoticed. However, [they] speak, the feminist is usually the one who is viewed as "causing the argument," who is disturbing the fragility of peace.
(Sara Ahmed: The Promise of Happiness)
Meine Erfahrungen als Feministin haben mich sehr viel über Augenrollen gelehrt. Deshalb finde ich es nie überzeugend, wenn eine Person sagt, dass diese oder jene Person schlechte Stimmung verbreitet. Meine Skepsis stammt von frühen Kindheitserlebnissen als feministische Tochter in einer relativ konventionellen Familie, wo ich mich nie mit der Performance von guter Stimmung in der Familie wohl gefühlt hab und immer davon ausgegangen bin, dass ich andere runterziehe, wenn ich zum Beispiel auf Sexismus im Sprechen anderer hinweise. Stell dir vor, wir sitzen beim Abendessen. Um den Tisch herum ist die Familie versammelt, in höfliche Unterhaltungen versunken, in denen nur manche Dinge angesprochen werden können. Irgendwer sagt etwas, dass du problematisch findest. Vielleicht reagierst du vorsichtig. Vielleicht redest du mit ruhiger Stimme; oder vielleicht bist du ganz "aufgebracht" und nimmst deinen Frust darüber war, dass du ganz aufgebracht wegen einer Person bist, die dich auf die Palme bringt. Die Gewalt dessen, was gesagt wurde, oder die Gewalt der Provokation wird nicht wahrgenommen. Wie auch immer Feminist_innen sprechen, sie werden gewöhnlich als diejenigen angesehen, die eine Szene machen, als diejenigen, die den fragilen Frieden zerstören. (Übersetzung von mir)

Ich erinnere mich an Familienfeste, wo ich die nervöse Anspannung meiner Eltern förmlich spüren konnte, wenn sie sich innigst gewünscht haben, dass meine Verwandten mich bitte nicht fragen sollen, ob ich einen Freund hab, und ich bitte keine allzu ehrlichen Antworten geben soll. Wo ich die einzige Person in meinem Alter war, deren Einladung kein "+1" enthielt – egal welchen Herzensmensch ich dann mitgebracht hätte. Ich brauch andere Tische, an denen ich Platz nehmen kann.

Deswegen verbringe ich einen Sonntag im Monat in der Küche, wälze vorher Kochbücher und hab meine Telleranzahl verdoppelt. Ich lade eine Runde feministischer Spaßverderber_innen ein, um gemeinsam Spaß haben zu können. Wir achten gemeinsam darauf, eine Stimmung zu schaffen, mit der sich alle wohl fühlen, statt von anderen als diejenigen wahrgenommen zu werden, die schlechte Stimmung verbreiten. Wir versuchen füreinander Platz zu schaffen, um miteinander Platz nehmen zu können.