Samstag, 27. April 2013

Das Selbst in Selbstfürsorge

Heute möchte ich das kleine Wörtchen "selbst" in Selbstfürsorge betonen. Denn bei Selbst-für-sorge geht es weniger um das Sorgen, sondern eher darum etwas für sich selbst zu tun.

Als feminitische Aktivistin bin ich es gewohnt mich um andere zu sorgen, mir Sorgen zu machen, für andere da zu sein. Schon schwieriger wird es, wenn ich versuche, für etwas zu sein. Obwohl ich ja behaupten würde, dass es ein wichtiger Teil meiner Selbstfürsorge ist, mehr für etwas zu sein als immer nur gegen etwas. Doch das "Selbst" ist die schwierigste Aufgabe.

In meinem Blog geht es mir nicht darum, euch Wellness-Tipps zu geben, die ihr dann auch noch auf eure To-do-Liste setzt, um brav ein Häkchen dahinter machen zu können. Ich hab selbst immer wieder die Tendenz, Selbstfürsorge als eine weitere Aufgabe zu sehen, die ich auch noch zu erledigen habe. Und wenn ich es nicht hinbekomme, bin ich frustriert und mach mich schlecht, weil ich zu faul bin/ nicht konsequent genug bin/ mich nicht gut genug kümmere...

Aber darum geht es ja nicht wirklich. All die einzelnen Formate (wie Meditieren, Morgenseiten, Spazierengehen, ...) sind ja eigentlich nur Möglichkeiten, um mir selbst zu begegnen. In meinem Alltag kann ich selbst leicht in Vergessenheit geraten. Doch wenn ich für mich sorge, dann rücke ich mich selbst für eine kurze Zeit selbst in den Mittelpunkt. Das hat nichts mit Egoismus oder Selbstverliebtheit zu tun. Ich wünsche mir von mir selbst, dass ich mir mit der gleichen Wertschätzung und Aufmerksamkeit begegne, wie ich das auch anderen gegenüber tue.
Auch in den Begegnungen mit mir selbst mache ich Fehler, bin ich hart zu mir oder unaufmerksam. Ein Teil meiner Selbstfürsorge ist auch zu lernen, mich bei mir selbst zu entschuldigen und (fast noch wichtiger) mir selbst zu verzeihen und dann einen neuen Anlauf zu nehmen.
Kein Perfektionismus also in Sachen Selbstfürsorge, sondern Mut zu Fehlern, viel Raum für Lernen und Ausprobieren.

Ich hab online ein tolles Projekt gefunden, wo einzelne (auf englisch) über ihre unperfekte Selbstfürsorge schreiben: The Perfectly Imperfect Project: Real Self-Care.
Vielleicht macht es dir Hoffnung, dass du auch gut für dich sorgst, selbst wenn nicht alles nach (Wellness-) Plan läuft.

Wo bist du selbst in deiner Selbstfürsorge? Was macht dieses Selbst besonders aus?
An welchen Stellen ist deine Selbstfürsorge vollkommen unvollkommen?
Wie kannst du dir selbst am besten begegnen?

Sonntag, 21. April 2013

Eine Frage der Haltung

Schon immer hatte ich eine Begeisterung für Science Fiction- und Fantasy-Romane. In meiner Jugend verschlag ich alle Romane von Marion Zimmer Bradley. Dann fand ich den anarchistischen Utopie-Roman "bolo'bolo" und hab mich das erste Mal gefragt, wie ich leben möchte und wie ein Leben nach einer gesellschaftlichen Veränderung gestaltet sein könnte. Heute füllen feministische Romane von Octavia Butler, Marge Piercy, Margaret Atwood und Ursula LeGuin die Science Fiction Ecke meines Bücherregals.

Was hat aber Science Fiction und die Flucht in ferne Welten mit Selbstfürsorge zu tun?
Zum einen denke ich, dass Ablenkung auch ein wichtiger Teil von Selbstfürsorge sein kann. Nicht immer hab ich noch die Energie, auf eine Weise für mich zu sorgen, in der ich Geschehenes verarbeiten kann und in mir selbst zur Ruhe komme. Manchmal ist es auch einfach gut, abzuschalten und mich mit ganz anderen Dingen zu beschäftigen.
Der Punkt, um den es mir hier aber geht, ist, dass Science Fiction die Frage nach anderen Lebensweisen stellt. Darüber hab ich einen Zugang zu der Frage gefunden, wie ich den eigentlich leben möchte. Während ich früher ganz stark nach anderen gesellschaftlichen Modellen gesucht habe, sind es heute eher Überlegungen zu der Haltung, mit der ich mich im Alltag bewegen möchte. 

In meinem Post "Wenn Nähe Distanz schafft" hab ich am Ende die Frage gestellt, wie wir respektvoll und verantwortungsvoll miteinander umgehen können. Ich finde die Frage sehr schwierig, weil ich feministisch so sozialisiert wurde, gegen Dinge zu sein, mich über sexistische Situationen aufzuregen, gegen Gewalt und Diskriminierung zu intervenieren. All diese Dinge finde ich wichtig und tue ich auch heute noch, aber in den letzten Jahren hab ich zunehmend gemerkt, dass mir die positiven Gegenkonzepte fehlen. Wenn nicht so, wie dann? ist die Frage, die mich beschäftigt.
Wie möchte ich meine Freund_innenschaften und Beziehungen leben, wenn sie nicht von Gewalt geprägt sein sollen? Wie möchte ich andere auf eine Art und Weise kritisieren, die ihnen die Möglichkeit zur Veränderung einräumt? Nach welchen Werten richte ich mein eigenes Verhalten aus? Wie kann ich anderen mit Wertschätzung begegnen und wie kann ich Verantwortung für mein Verhalten übernehmen, wenn ich das mal nicht tue?

Für mich ist Selbstfürsorge deswegen auch ganz viel eine Frage der Haltung. Es kommt nicht so sehr auf die einzelnen Formen an, die ich für meine Selbstfürsorge wähle. Es kommt nicht so sehr darauf an, ob ich meine Morgenseiten schreibe oder meditiere. Für mich sind es nur Hilfsmittel, um mich mit einer wertschätzenden Grundhaltung durch mein Leben bewegen zu können. Diese Haltung entspannt mich, weil sie mir mehr Wahlmöglichkeiten eröffnet und ich nicht so sehr im Reagieren auf alles Schlechte in dieser Welt verhaftet bleiben muss. Das ist für mich eine Weise, gut für mich selbst zu sorgen, weil ich mich nicht mehr so sehr mit Negativität anfülle.

Wie möchtest du leben?
Welche Werte sind dir in deinem Leben wichtig?
Wie kannst du gut für dich sorgen, wenn du gegen Gewalt und Diskriminierung intervenierst?
Was machst du gerne, um abzuschalten? Und was hilft dir, Dinge zu verarbeiten?

Freitag, 12. April 2013

Die süße Kunst des Nichtstuns

Ich hab bereits darüber geschrieben, dass die Vorstellung, dass es immer wieder etwas zu tun gibt, zu Erschöpfung bei Aktivist_innen führen kann. Ein Phänomen, das ich selbst nur zu gut kenne. Und am besten erkennbar finde ich es, wenn ich mir meinen Kalender betrachte und gucke, wie voll der eigentlich so ist und mit was er so gefüllt ist. Was steht in deinem Kalender in dieser und nächster Woche? Welche Termine nehmen dir Energie und welche geben dir Energie? Wann sind die nächsten freien Zeiten erkennbar? Und wie lange ist es noch bis dahin?
Und wann gibt es den nächsten Tag ohne feste Verabredungen und Pläne?

Ich muss mich als Leser_in von manchmal kitschigen Büchern outen, so auch Elizabeths Gilberts "Eat, Pray, Love" (der auch mit Julia Roberts in der Hauptrolle verfilmt wurde). Und manchmal stecken in kitschigen Büchern schlaue Sachen. In dem Buch hab ich das Konzept von "Dolce Far Niente" - die süße Kunst des Nichtstuns - kennengelernt. Und damit eine passende Beschreibung für meine Jaydays gefunden.

Ein Jayday ist - wie der Name schon sagt - ein Tag, an dem ich keine Verabredungen plane und den ich mit mir alleine verbringe. Ich mach keine konkreten Pläne und nehm mir nichts Festes vor. Es ist ein Tag, an dem ich versuche, im Augenblick zu leben und meinen Bedürfnissen zu folgen. Ich nehm mir Zeit nachzuspüren und in mich reinzuhorchen. Ich lasse es mir gut gehen. Es tut mir gut, keine gequetschte Zeit zu haben, wo immer schon das Nächste auf mich wartet.

Es sind für mich die Tage, an denen ich übe, meine Bedürfnisse zu spüren. Ich merke, dass ich da regelmäßige Übung brauche. Wenn ich zum Beispiel an einem Jayday das Bedürfnis bekomme, meine Wohnung zu putzen, dann frag ich mich, ob ich das jetzt machen will, weil ich es nicht aushalte, nicht produktiv zu sein und nicht zu funktionieren. Oder kommt das Bedürfnis daher, dass ich durch klare Fenster den Frühling sehen möchte und mich danach auf meinem Sofa die Sonne genießen kann? Und meist ist es eine Mischung aus beiden. An Jaydays versuche ich, meinen Funktioniermodus abzulegen, spielerisch zu sein und genießen zu lernen.

Was ist für dich Dolce Far Niente?
Wo bist du?
Was machst du (nicht)?
Über welche Sinne nimmst du was wahr?
Welche Bedrüfnisse entstehen (am Anfang und während des Tages)?
Was hilft dir, im Hier und Jetzt zu sein?

Ich wünsch dir viel Freude beim Nichtstun.