Montag, 18. März 2013

Immer auf Rufbereitschaft

Zur Arbeit vieler Ärzt_innen im Krankenhaus gehört es, an einigen Tagen auf Rufbereitschaft zu sein, d.h. dass sie zwar nicht auf Arbeit sein müssen, aber angerufen werden können, wenn sie gebraucht werden. Durch diese Möglichkeit, angerufen zu werden, verschwimmen die Grenzen zwischen beruflichem und privatem Leben. Aber was passiert, wenn du als Aktivist_in immer auf Rufbereitschaft bist und jederzeit damit rechnest, dass dein Einsatz gebraucht wird? Wenn es immer eine_n Betroffene_n von Gewalt gibt, die_der Unterstützung braucht? Wenn es immer einen diskriminierenden Artikel/ Spruch/ Werbeslogan/ etc. gibt, auf den es eine Reaktion geben sollte? Wenn es immer eine neue Aktion gibt, die geplant werden sollte?

Als feministische Aktivist_in bin ich mit dem Slogan "Das Private ist politisch" groß geworden. In vielerlei Hinsicht war und ist es ein wichtiger feministischer Ansatz, vermeintlich private Themen in den öffentlichen Raum zu tragen, sei es häusliche Gewalt, unbezahlte und gesellschaftlich nicht-anerkannte Hausarbeit oder die Auswirkungen von Schönheitsnormen und Rollenerwartungen.
Die Kehrseite von dem politisierten Privaten ist: Das Politische ist sehr persönlich. Dass es um die eigenen Themen geht oder um Themen, die zu den eigenen erklärt wurden, macht es häufig schwer, sich von diesen abzugrenzen. Aktivismus ist eine feministische Lebensweise - rund um die Uhr. Und das ist auch gut so und wichtig. Aber mir stellt sich dann die Frage, wie Grenzen geschaffen werden können, wenn es nicht über die Unterscheidung "beruflich - privat" stattfinden kann. Wenn es keine festen Zeiten für Aktivismus geben kann, vielleicht braucht es dann feste Zeiten zur Selbstfürsorge.

In der englischsprachigen Broschüre "Self-Care and Self-Defense Manual for Femnist Activists" (die es hier als kostenlosen Download gibt) schreiben die Autorinnen:
Es gibt bestimmte Annahmen, was es bedeutet, Aktivist_in zu sein, vor allem was es bedeutet "ein_e gute_r Aktivist_in" zu sein und wie "Engagement" aussieht. In vielen Fällen zentrieren sich diese Annahmen auf "Opfer für die gute Sache machen" und "den Aktivismus zum Mittelpunkt des eigenen Lebens machen". Es ist sicherlich wichtig, diesen Werten ihre Bedeutung zuzugestehen, aber häufig werden dadurch Praktiken angepriesen, die nur schwer auf Dauer durchzuhalten sind und die manchmal nicht im Einklang mit Selbstfürsorge und Selbstschutz für die Aktivist_innen selbst sind.  (S. 21, Übersetzung JK)

Deswegen möchte ich dir heute folgende Fragen mitgeben:
Wann nimmst du dir die Zeit, all die aktivistischen Themen auf einer persönlichen Ebene zu verarbeiten?
Was machen diese Themen emotional mit dir?
Welche Formen hast du, um dich mit diesen gut zu beschäftigen? Schreibst du, malst du, sprichst du mit Freund_innen, tanzt du? Oder was ist deine Ausdrucksform?
Wie baust du Druck und Anspannung ab?
Wie gibst du deiner Wut, deiner Traurigkeit, deiner Verzweiflung Raum?
Wann und wie feierst du Erfolge (auch wenn sie noch so klein sind)?

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